Vesna: Österreichische Textilkunst seit über 60 Jahren

Es geht um Schönheit. Und darum, diese zu unterstreichen. Trends machen das nicht möglich.

Nach diesem Grundsatz entwirft die Textilkünstlerin VESNA seit den 1950er Jahren Mode. 

ERZÄHLT VON RHEA TEMPER

 

Nach einer rasanten Karriere, dem Kreuzen namhafter Künstler und Modenschauen auf der ganzen Welt, findet Vesna im Jahr 1989 in Primmersdorf ihr Zuhause. Auch mehr als 60 Jahre später widmet sie ihre Zeit dem Erschaffen neuer Ideen und Werke.

Mit ihrem aktuellen Projekt „second skin“ versucht sie erneut, die individuelle Schönheit jeder Frau hervorzuheben, indem sie an- und ausziehbare Ornamentik auf den Körper zaubert. „In Zukunft werden wir eine Art zweite Haut tragen, darüber können unterschiedliche Kleidungsstücke angezogen werden“, ist Modedesignerin Vesna überzeugt. Materialien wie Bambusstoff oder Elastan schmiegen sich angenehm und unmerkbar an den Körper, schmücken mit Ornamenten, die bereits am Zeichentisch an die Figur angepasst werden. Anders als eine Tätowierung, kann „second skin“ an- und ausgezogen werden, erlaubt aber trotzdem eine bunte Vielfalt auf der Haut.

Die Textilkünstlerin beschäftigt sich bereits seit Jahrzehnten mit dem handwerklichen Bedrucken feiner Stoffe und Ornamentik. „Second skin“ verknüpft beides und soll Frauen in ein neues modisches Zeitalter begleiten, in dem wenig verdeckt und vieles erlaubt ist. Kennt man den Werdegang Vesnas, so erscheint diese zukunftsweisende Vorstellung auch durchaus berechtigt. Denn seit über 60 Jahre verwandelt sie Textilien in Kunst und prägte damit den österreichischen Stil bedeutend.

Foto: Severin Wurnig

Zurück zum Ursprung

Vor ihrem Leben als Textilkünstlerin war Vesna unter dem bürgerlichen Namen Elfriede Sekirnjak bekannt. Als Tochter eines Elektrikers und einer fleißigen Arbeiterin wächst sie in den 1930er Jahren im 16. Bezirk in Wien auf. Die erste Zeit ihres Lebens verbringt sie an der Seite ihrer Mutter, die „am Steinhof“, einer psychiatrischen Heil- und Pflegestation, beschäftigt ist. „Es war eine wunderschöne Kindheit, auch wenn ich sie in der „Irrenanstalt“ verbracht habe“, erinnert sich die heute 82-Jährige. „Die Kirche „am Steinhof“ war für mich das Schloss, die Materialbahn eine Liliputbahn und die Patienten waren für mich verzauberte Menschen.“

Fantasie und Vorstellungskraft zeichnen sie schon in ihrer Kindheit aus. Als der 2. Weltkrieg seinen Höhepunkt erlangt, verbringen Mutter und Tochter die meiste Zeit im Luftschutzkeller. Die Möglichkeit, einem geregelten Alltag nachzugehen, gibt es nicht mehr. Darunter leiden auch die schulischen Fähigkeiten und erschweren Vesna die Mittelschule. „Ich konnte kaum dividieren und hatte keine Hefte“, erinnert sich Vesna an ihr erstes Jahr. Nach langen, aber vergeblichen Bemühungen, wechselt sie in die Textilschule und schafft den Abschluss mit Vorzug. „Das Diplom der Textilschule war maßgebend für mich und mir wurde klar, dass ich damit weitermachen wollte.“

Foto: Josef Temper

So führt der Weg weiter an die Akademie für Angewandte Kunst. Unter der Leitung von Professor Wimmer-Wisgrill steht das schöpferische Arbeiten im Fokus. „Einmal am Tag rauschte er rein und sortierte unsere Werke aus.“ Noch heute plant Vesna ihre Modenschauen nach der Lehre von Wimmer-Wisgrill und erinnert sich gut an ihren ersten Versuch an der Akademie: „Damals kam mein Vater zur Modenschau. Er sah meine Kleider und war ganz verblüfft, dass ich „dafür“ so viel Zeit investiert hatte.“ Durch Wimmer-Wisgrill erlangen Vesna und ihre Kommilitonen Zugang in die Wiener Kunst-Kreise. Es erschließt sich eine neue, aufregende Welt: Sie wohnen Modenschauen und Veranstaltungen bei, lernen namhafte Persönlichkeiten, wie den Künstler Hundertwasser, kennen und führen stundenlange Gespräche über die Leidenschaft zur Kunst.

Nach der ereignisreichen Studienzeit folgt eine Phase der Ernüchterung. Die großen Industriebetriebe rund um Wien interessieren sich nicht für die diplomierten Künstler. „Es war eine große Enttäuschung. Es wurde kein Wert auf künstlerische Gestaltung gelegt, es ging nur darum, Masse zu produzieren.“ Den späteren Einbruch der österreichischen Textilindustrie schreibt Vesna diesem Ansatz zu.

Enttäuscht von der heimischen Textilbranche, zieht die junge Künstlerin durch Europa, sammelt Erfahrungen als Modedesignerin bei Marigi in Rom, Vossen in Gütersloh oder der Galerie La Fayette in Paris. An diese Zeit erinnert sie sich gerne zurück: „Es war sensationell. Ja, wir erhielten kaum Geld für unsere Arbeit, aber wir haben gelernt und gelebt. Und solange ich einen Platz zum Schlafen und etwas zu essen hatte, war mir das auch egal.” Zurück in Wien absolviert Vesna mit 26 Jahren die Akademie Wien in der Meisterklasse Gobelinweberei. Anschließend webt sie mit Fritz Riedl Gobelins für das Salzburger Festspielhaus und die Zentralsparkasse in Wien. Danach arbeitet sie in einer renommierten Wiener Boutique. In dieser Zeit lebt sie in einer kleinen Bügelkammer unter dem Dach eines Wiener Hauses und betreibt im angrenzendem Raum, dem Dachboden, ihre erste Druckerei — gebaut aus einer Badewanne.

Foto: Josef Temper

Kehrtwende

„1970 habe ich dann begonnen, richtig zu arbeiten. Und ich habe begonnen, zu kalkulieren. Bis dahin tat ich alles aus Spaß an der Sache.“ Vesna gründet in der Wiener Innenstadt ihre erste eigene Werkstätte. Zunächst entsteht ein hippes Café, in dem die Besucher aus zahlreichen Mustern auswählen und entspannt einen Kaffee trinken können, während das gewünschte Kleidungsstück bedruckt wird. Außerdem präsentiert Vesna ihre Mode auf internationalen Schauen in Japan, Deutschland und Mexiko. Später entsteht durch das Mitwirken von Jonathon Roberts die Erweiterung in den Interieur-Markt. In der Werkstätte werden von nun an Aufträge für namhafte Hotels, Casinos, Banken und Restaurants abgewickelt.

Am Höhepunkt angekommen, ist Vesna für ihre einzigartigen Drucke und Muster weit über die Grenzen des Landes bekannt und beschäftigt ein 13-köpfiges Team. Inmitten dieser Blütezeit übersiedelt das gesamte Team nach Primmersdorf ins Waldviertel. Getrieben von der Suche nach neuen Impulsen und der Idee, einen „Luxus-Gewerbe-Betrieb“ zu errichten, kauft Vesna das Schloss Primmersdorf. „Es war wunderschön verfallen. Die Dachböden waren das perfekte Atelier und für alle Mitarbeiter war genug Platz.“

In den nächsten Jahren werden zahlreiche Werke – inspiriert durch die Waldviertler Natur – inmitten der alten Räume geschaffen und finden in unzähligen Privatwohnungen und Hotels weltweit ihren Platz.

Doch die einsamen Winter, die große Entfernung zu Wien und schlussendlich auch die enormen Instandhaltungskosten für das Künstleranwesen zwingen Vesna, Stück für Stück des Herrschaftsgebäudes zu verkaufen. Heute befindet sich das Schloss im Privatbesitz mehrerer Eigentümer.
Ein Teil des einstigen Traums ist Vesna und Lebensgefährte Jonathon aber geblieben: Sie leben im oberen Stockwerk des Schüttkastens, des ehemaligen Getreidespeichers des Anwesens. Die unteren Stockwerke dienen als Ort der kulturellen Begegnung, regelmäßig finden hier Ausstellungen und Veranstaltungen statt.

Dass Vesna noch keineswegs müde ist, beweisen die kommenden Monate. Neben einer großen Modenschau zum Thema „Stadtmode/Landmode“ am 20. Mai und der Eröffnung einer dauerhaften „Vesna-Ausstellung“ im Juli, erscheint 2017 ein Buch über ihr Leben und Werk.

Diese Vielfalt an Plänen, vor allem aber die Geschichte der letzten 60 Jahre, zeigen eines ganz deutlich: Einfallsreichtum und die Liebe zur Schönheit waren Vesna stets gute Begleiter.

Wald4tlerin: Ausgabe: 01/17
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