Robin Hood des Waldviertels
Während die Wirtschaftskrise viele Firmengiganten empfindlich getroffen hat und man in den europäischen Industriebetrieben gegen die Rezession kämpft, floriert Heinrich „Heini“ Staudingers Betrieb GEA inmitten einer der wirtschaftsschwächsten Regionen Österreichs.
GEA erzeugt die bekannten „Waldviertler Schuhe“, Möbel und Matratzen. Der Betrieb mit dem Hauptsitz in Schrems konnte in den letzten zehn Jahren seinen Umsatz verdoppeln, die Zahl der Beschäftigten mehr als verdreifachen. Als Heini Staudinger vor 13 Jahren der Bankrahmen gekürzt wurde, beschloss der Unternehmer als oberstes Firmenziel die Bankenunabhängigkeit. Innerhalb weniger Jahre konnte er dieses Ziel erreichen – mithilfe des „GEA Sparvereins“. Dabei entschieden sich Privatpersonen in das Unternehmen zu investieren. Mithilfe dieses Geldes konnte der Betrieb wachsen, schuf dutzende Arbeitsplätze und ermöglichte sogar die größte Photovoltaikanlage des Waldviertels. Nun wird Heini Staudinger von der Finanzmarkaufsicht beschuldigt, ein Bankgeschäft ohne Banklizenz zu betreiben, dabei drohen ihm Strafzahlungen bis zu € 100.000,-. Der Unternehmer wehrt sich gegen die Anschuldigung und auch weite Teile der Bevölkerung stellen sich hinter den Wahl-Waldviertler aus Oberösterreich. Wir haben mit Heini Staudinger gesprochen und erfahren, weshalb dieser Kampf vor allem auch gesellschaftlich von so großer Bedeutung ist:
Der Standort der Firma GEA ist im Waldviertel, einer wirtschaftsschwachen Region, dennoch konnten Sie gerade in Zeiten der Krise die Produktion, sowie die Mitarbeiteranzahl erhöhen. Was ist das Besondere an Ihrem Unternehmen?
Heini Staudinger: Das Misstrauen der globalen Wirtschaft gegenüber ist explodiert, ich bin relativ sicher, dass das damit in Zusammenhang steht. Wir sind als Fahnenträger einer regionaleren Wirtschaft dadurch verstärkt zu Sympathien gekommen und wir werden momentan mehr geliebt, als je zuvor. Ich halte es für hirnrissig, eine Wirtschaft so auszurichten, dass wir uns ohne die Chinesen kaum mehr anziehen können. Die Leute sind froh, dass wir dagegenhalten, in dem wir selbst noch Schuhe machen – als eine der letzten Firmen Österreichs. Wir bieten ausgezeichnete Qualität in Handarbeit und die Menschen sind froh, dass wir uns auch in diesen gesellschaftlichen Diskurs, wie es weiter gehen soll, in einer Weise einmischen. Wir halten es für verantwortungslos, die Wirtschaft in den Regionen derartig zu schwächen, wir wollen, dass unsere Gesellschaften wieder heil werden. Da müssen wir auch die regionalen Wirtschaften fördern.
Vor 13 Jahren haben Sie den „GEA Sparverein“ gegründet und liehen Sie sich Geld von Privatpersonen – Warum haben Sie sich das benötigte Geld nicht von der Bank geliehen?
Heini Staudinger: Sparverein ist ein Spitzname und bezeichnet folgendes: Personen entscheiden sich aus freien Stücken uns einen Teil ihres Geldes zu borgen.
Ein Bankdirektor hat mir im Jahr 1999 willkürlich den Rahmen von zwölf Millionen auf sieben Millionen Schilling gekürzt. Er hat sich damals auch einen Spaß daraus gemacht und meinte, er sei mir keine Rechenschaft schuldig. Vor 15 Jahren hätten wir für unsere Gebäude, in die wir vier Millionen Euro reingesteckt haben, von den Banken mit größter Selbstverständlichkeit drei Millionen Euro Hypothekar-Darlehen bekommen. Damals war die Bemessungsgrundlage der Substanzwert der Gebäude, während heute nur mehr der Marktwert der Gebäude zählt. Stünden unsere Gebäude am Stadtrand von Wien, würden wir dafür selbstverständlich fünf Millionen Euro Hypothekar-Darlehen kriegen. Weil sie aber in der Krisenregion Waldviertel stehen, ist der Marktwert dieser Gebäude „a Schas“. Das heißt, die Banken sind nicht nur Krisenursache, sie sind auch noch Krisenverstärker. Vertrauen war damals noch ein wichtiger Faktor in der Zusammenarbeit mit den Banken. Heute ist Vertrauen kein Faktor mehr, das wird alles durch Richtlinien ersetzt. Diese Richtlinien zwingen die sympathischen Leute in der Raiffeisenbank Schrems dann, dass sie mir kaum Geld geben können. Dafür wird aber mehr als die Hälfte der Einlagen an die Zentralen weitergeschickt und mithilfe der so genannten Regionalbanken verschwindet der Großteil des Vermögens der Region in den Zentren. Das klingt harmlos, ist aber ein unheimlich brutales Faktum.
Was gefällt der Finanzmarktaufsicht an Ihrem Vorgehen nicht, was wird Ihnen konkret vorgeworfen?
Heini Staudinger: Sie behaupten, dass ich bankenähnliche Geschäfte mache. Ich finde, das hat sich gewaschen – Ich kenne nämlich keine einzige Bank, die Schuhe und Matratzen herstellt. Wir könnten den Satz auch umdrehen: Würden die Banken dasselbe machen wie der Staudinger, dann hätten wir in Österreich keine Arbeitslosen mehr. Wir haben hundert Arbeitsplätze in den letzten zehn Jahren geschaffen und zwar mit den Einlagen unserer Kunden. Mit diesen Einlagen haben wir auch die größte Photovoltaikanlage im Waldviertel gebaut, die doppelt so viel Strom liefert, wie wir, die ganze Firma mit 130 Leuten, brauchen. Wir borgen uns Geld und bis zum letzten Groschen steckt alles in der Region – in unseren Gebäuden, in den Warenlagern und in der Entwicklung unserer Mitarbeiter.
Ihr Vorgehen trifft gesellschaftlich auf positive Resonanzen – sehen Sie sich selbst auch ein wenig als „Robin Hood“ im Kampf gegen die Banken?
Heini Staudinger: Die Bevölkerung steht deshalb hinter mir, weil ihnen die Macht der Banken längst reicht. Es geht darum, dass man Geld herborgen kann, wann immer man will. Viele Menschen findet es empörend, wenn man sie bevormundet. Wem man Geld borgt, soll Privatsache sein, wir brauchen keine FMA, die einen „beschützt“. Wir lassen jetzt auch T-Shirts drucken, auf denen steht: „Bevormundet mich nicht“. Wo auch immer Rechte beschnitten werden, nimmt das Ausmaß einer Diktatur zu – Es kommt zur Gefährdung der Demokratie. Millionenbeträge werden für die Rettung der Banken hergenommen, anstelle für Bildung oder Soziales.
Ist Ihr Kampf der erste, auf den möglicherweise gesellschaftlich noch mehrere folgen werden?
Heini Staudinger: Es geht bei dem Kampf nicht um den Heini, es geht darum, den Stein ins Rollen zu bringen, damit die Bürger das Recht haben, ihr Geld dort zu platzieren, wo auch immer sie wollen. Es geht um viel mehr, als um die paar Millionen unseres Betriebs, es geht um die Bürger und Bürgerinnen.
Interview: Rhea Temper für Wald4tlerin Winter 2012 | Foto: zVg, GEA
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