Ein Räuberhauptmann wider Willen, eine Frau mit Endlospower, eine Küche, die weit über die Grenzen des Waldviertels bekannt ist und der Wein.
Der Räuberhauptmann Johann Georg Grasel (1790-1818) steht nicht nur Pate für das Restaurant von Anna Rehatschek, sondern ist auch ihr Herzblut. „Grasels Eltern haben gestohlen, und auch er wurde zum Diebstahl gezwungen, obwohl er das gar nicht wollte.“ Anna Rehatschek kann sich seiner Faszination nicht entziehen. „Hätte er bessere Chancen gehabt, wäre vielleicht ein ganz anderer Mensch aus ihm geworden. Heute haben viele Menschen viele Chancen und nicht alle nutzen sie.“
Die Graselwirtin aus Mörtersdorf sieht sich als Unterstützerin und versucht auch in der Firma und in ihrem Umfeld Schwächere zu stärken. Stets ermutigt sie Menschen, etwas für sich zu tun und sich nicht unterkriegen zu lassen. Und wenn es ihr ein Bedürfnis ist, dann greift sie auch schon mal entschlossen ein: „Alle Starken haben Kraft genug, um etwas zu tun und sollten nicht auf Schwache hinuntertreten“, ist ihre Devise.
Als Unternehmerin bietet Anna Rehatschek zwanzig Angestellten aus dem näheren und weiteren Umfeld einen Arbeitsplatz und fühlt sich ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gegenüber verantwortlich. „Wir sind ein großer Familienbetrieb. Mein Personal ist nicht getrieben, sondern geführt. Man kennt ihr Privatleben, leidet mit bei Scheidungen und Problemen mit den Kindern.“ Manche sind seit Beginn vor 18 Jahren treue Wegbegleiter. Viele bleiben sehr lange.
Dabei gab es eine Zeit im Leben der Graselwirtin, in der die Überzeugung, dass sich für sie die Gastronomie als Berufsfeld nicht eignet, fix und eine Fünf-Tage-Woche mit freiem Wochenende ihr Wunschtraum war. Ihre Wege führten sieben Jahre lang durch Büroarbeit und schließlich doch zur Erkenntnis, dass ihr die Menschen abgehen, die ihr in ihrer Kinderstube oft zu viel waren.
Als die Mama das Gasthaus frühpensioniert schließen musste, eröffnete Anna Rehatschek mit 22 Jahren eine Buschenschank. Diese führte sich mit Unterstützung von Mutter und Schwester, um wieder Gesellschaft und liebe Leute um sich zu haben. Wochenenden waren auf einmal nicht mehr so wichtig. Auf Privatleben und sportliche Aktivitäten wie Eislaufen, Schi fahren und Tennis, die sie erst im Erwachsenenalter erlernte, verzichtete sie gerne.
Den Menschen verpflichtet
Mit 28 Jahren war die Zeit dann reif, ein eigenes Heurigenrestaurant zu betreiben. Die lang gehegte Idee, ein Lokal im Stadtzentrum von Horn, Eggenburg oder Gars zu pachten, wurde wieder verworfen, denn die Schnittstelle Horn-Eggenburg-Gars in Mörtersdorf, nahe bei Krems, unweit von St. Pölten und an der Straße nach Wien, war der geeignete Standort, um hier selbst zu bauen.
Für Anna Rehatschek stand fest: „Wenn ich es mache, dann mache ich es ganz.“ Sich dabei an anderen zu orientieren, war für sie nie ausschlaggebend, denn ein Vorbild im herkömmlichen Sinn hatte sie nicht. Ihre Lebensidole sind alle positiven Menschen, die offen und aktiv mit Lebensfreude durchs Leben gehen.
Der Arbeitstag der Graselwirtin beginnt zwischen acht und zehn Uhr und endet mit der Sperrstunde um Mitternacht. Als Abendmensch stört sie das nicht. Für Sport und private Erledigungen bleiben der Morgen oder ein, zwei Stunden am Nachmittag. Wenn auch vieles durch den Beruf zu kurz kommt, findet sie ihre Erfüllung in der Gastronomie, denn „als Gastwirt ist man Gastgeber und Wirt zugleich. Ich genieße es, die verschiedensten Menschen bei mir zu begrüßen, Treffen zu organisieren und Menschen miteinander bei Veranstaltungen und Festen zu vernetzen. Kontakte und Verbindungen erfüllen sie und geben ihr die Bestätigung, am richtigen Weg zu sein. „Meine Tätigkeit speist sich durch sich selbst. Wenn man seine Arbeit gut macht, bringt das Anerkennung und Lob“, sagt Anna Rehatschek, deren Lebensgrundsätze Aktivität und Optimismus sind.
Grasel-Vision
Aus ihrer Sicht gäbe es noch viel zu tun: „Das Waldviertel hat sehr viel Potential. Das Gasthaus ist ein Kapitel in meinem Leben, aber ich werde sicher noch eine andere Richtung einschlagen. Nur welche weiß ich noch nicht.“ Aber sie kennt ihre Vision: „Das ganze Waldviertel könnte viel mehr mit „Grasel“ belegt sein. Mörtersdorf ist Graseldorf. Ein Graselmuseum. Das Grasel-Thema hat immer etwas Interessantes. Man könnte es noch viel besser nützen“, sagt die Gastronomin, deren fröhliches Lachen ansteckend ist.
Anna Rehatschek ist eine vielseitige, facettenreiche Persönlichkeit. Sie hat mit den „Waldviertler Wein Weibern“ ein Frauen-Wein-Netzwerk ins Leben gerufen und mit ihnen den „Femasco“-Wein. Mit dem „Grasel-Janker“ ist sie Wegbereiterin einer Trachtenmodelinie, die sie im Heurigenlokal anbietet.
Für sie ist der Weg das Ziel und sie ist da, wo sie sein will. Ihr Wunsch an den Weihnachtsmann ist bescheiden: „Lebensfreude, Aktivität und Gesundheit. Kurz – dass es so bleibt, wie es ist!“
Coverstory Wald4tlerin 02/2008
Text: Sabine Salat | Fotos: Margarete Jarmer